In Deutschland wird in ein neuartiger pränataler Test zur Untersuchung auf Trisomie 21 des Fetus angeboten. Hierzu wird keine Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie durchgeführt, sondern die fetale DNA in einer mütterlichen Blutprobe untersucht. Als Berufsverband Deutscher Humangenetiker sehen wir in der allgemeinen Darstellung bzw. Diskussion des Testverfahrens Aspekte, die einer weiteren Kommentierung bedürfen.

Hintergrund:
Der „PraenaTest®“ basiert auf der Isolierung definierter Abschnitte zellfreier DNA (Erbsubstanz) des Fetus, die im Blut der Schwangeren zirkulieren. Die Messung der Konzentration und die Berechnung des Verhältnisses bestimmter DNA-Abschnitte zueinander soll eine sehr verlässliche Aussage zur Wahrscheinlichkeit bestimmter genetischer Veränderungen des Fetus, zunächst einer Trisomie 21 (Down-Syndrom), ermöglichen. Der Test wird im Auftrag einer privaten Biotechfirma (lifeCodexx, Konstanz) von verschiedenen pränatalmedizinischen Einrichtungen Schwangeren angeboten, für deren Fetus aufgrund eines auffälligen „Ersttrimesterscreenings“ (einer Kombination aus definierten Ultraschallmessungen des Fetus und biochemischen Untersuchungen einer mütterlichen Blutprobe) ein erhöhtes Risiko einer Trisomie 21 besteht. Die Kosten belaufen sich auf etwa 1200 Euro. Ebenso wie das Ersttrimesterscreening handelt es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Die den Test vertreibende Firma LifeCodexx bezeichnet die Aussagekraft im Hinblick auf eine Trisomie 21 als „sehr hoch“, vergleichbar mit dem Ergebnis einer Chromosomenanalyse nach einer Chorionzottenbiopsie (CVS) bzw. Fruchtwasserpunktion (AC). Dabei werden
Komplikationen für den Test nicht angegeben, demgegenüber aber ein Fehlgeburtsrisiko von 0,5-2% nach einer CVS und 0,5-1% nach einer AC hervorgehoben. Diese Aussagen sind aus Sicht der Humangenetik zu korrigieren: Der neue Test basiert auf einem statistischen Verfahren und erlaubt lediglich die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen bzw. das Nichtvorliegen einer Trisomie 21, es erfolgt keine Bestimmung des fetalen Chromosomensatzes. In den Vorstudien wurden sowohl Fälle von Trisomie 21 nicht erkannt (falsch negativ) als auch eine Trisomie 21 diagnostiziert, obwohl ein normaler Chromosomensatz vorlag (falsch positiv). Die Chromosomenanalyse aus Chorionzotten
bzw. Fruchtwasserzellen ermöglicht dagegen einen direkten Nachweis bzw. Ausschluss einer Trisomie 21 ebenso wie anderer Chromosomenveränderungen, die mit dem „PraenaTest®“ nicht erkannt werden. Gerade zur Abklärung unklarer Ultraschall-Befunde ist
der „PraenaTest®“ nicht geeignet, da er nur eine von zahlreichen verschiedenen genetischen Diagnosen erfasst. Der Test ist zudem nicht risikofrei. Zwar besteht keine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt, aber die Durchführung des Tests dauert zwei Wochen. In der Zwischenzeit erleben die Schwangeren und ihre Partner eine erhebliche psychische Belastung. Ein erstes Ergebnis einer CVS / AC läge bereits nach einem Tag vor. Bei auffälligen Ultraschall-Befunden und unauffälligem Testergebnis wäre anschließend trotzdem eine invasive
Untersuchung indiziert. Auch bei auffälligem Testergebnis wird zur Sicherheit die Bestätigung durch eine invasive Untersuchung empfohlen.

Schließlich wird durch die dem Test immanente „Risikolosigkeit“ der Druck auf jede Schwangere erhöht werden, eine Untersuchung auf das Vorliegen eines Down-Syndroms durchzuführen. Diese „risikolose Verfügbarkeit“ stellt eine Schwangerschaft ohne Pränataldiagnostik in Frage. Der Anbieter des „PraenaTest®“ bietet selbst keine spezialisierte fachärztliche Unterstützung und psychosoziale Betreuung der Schwangeren an, sondern überlässt diese Aufgaben pränatalmedizinisch spezialisierten Frauenärzten und Fachärzten für Humangenetik. So werden erhebliche Folgekosten einer privaten Dienstleistung auf die gesetzlichen Krankenkassen abgewälzt. Der Anbieter des Tests hat bereits eine Ausweitung auf die Trisomien 13 und 18 angekündigt. Es ist jetzt schon absehbar, dass mit der zugrunde liegenden Technik zukünftig Untersuchungen auf viele weitere genetisch bedingte Krankheiten unterschiedlichen Schweregrades bis hin auf das gesamte Genom des Feten durchgeführt werden können. Der BVDH hält es deshalb für erforderlich, dass
1. die Schwangeren ausdrücklich darüber aufgeklärt werden, dass der Test keinen eindeutigen Befund ermöglicht, sondern eine Wahrscheinlichkeitsberechnung darstellt,
2. dass die Schwangeren informiert werden, dass der Test auch bei auffälligen Ultraschallbefunden zwei Wochen dauert und alternativ eine kurzfristige und eindeutige Abklärung einer möglichen Chromosomenstörung durch eine CVS oder AC erfolgen kann, die eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen ist,
3. dass eine gesellschaftliche Debatte erfolgt, ob und wie der immanente Zwang auf Schwangere zur Durchführung von Untersuchungen auf genetische Veränderungen begrenzt werden kann und welche Folgen die abzusehende technische Weiterentwicklung derartiger Testsysteme auf die Gesellschaft haben kann.
Berlin, im Juli 2012

v.i.S.d.P.: Dr. Nicolai Kohlschmidt, Berufsverband Deutscher Humangenetiker e.V., Linienstraße 127, 10115 Berlin